Pädagogik

Das 2. Jahrsiebt „Die Welt ist schön“

von Yalda Nek - 13 Feb, 2023

Das 2. Jahrsiebt „Die Welt ist schön“

In diesem Beitrag erfahren Sie Hintergründe über das 2. Jahrsiebt in der Waldorfpädagogik, über Temperamente und Entwicklungsschritte!

In "Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft" schildert Rudolf Steiner drei Geburten, die in der Entwicklung des Menschen aufeinander folgen. Hintergründe zur Geburt des physischen Leibes und der darauf folgenden Entwicklungsschritte können Sie im Blogbeitrag Das 1. Jahrsiebt: „Die Welt ist gut“nachlesen. Nach dem Ende des 1. Jahrsiebts um das 7. Lebensjahr herum, vollzieht sich laut Steiner ein tiefgreifender Entwicklungsschritt, das Freiwerden des Ätherleibes. 

Das 2. Jahrsiebt

Um das 6./7. Lebensjahr herum beginnt ein Kind schulreif zu werden. Die Art des Spielens verändert sich und immer häufiger fällt der Satz "Ich langweile mich!". Die Milchzähne machen Platz für die bleibenden Zähne. Die Kinder sind ein Stück weit in ihrem Körper angekommen. Die Kräfte im Körper, Lebenskräfte oder auch Ätherkräfte genannt, die bisher hauptsächlich das Wachstum und die Formgebung des physischen Leibes unterstützt haben, werden nun frei und stehen für Neues zur Verfügung. Die Reifung des Seelisch-Geistigem tritt nun in den Mittelpunkt. Das Erinnerungsvermögen nimmt zu und ein Drang danach, die Umgebung zu erleben, zu verstehen wächst.

Die mittleren Sinne

Immer stärker werden die menschlichen Sinne im Bewusstsein der Menschen von den bisherigen fünf anerkannten erweitert. In der Anthroposophie wird von zwölf Sinnen ausgegangen. Die unteren Sinne, die sogenannten Leibessinne, wurden schon im Blogbeitrag Das 1. Jahrsiebt: „Die Welt ist gut“ beschrieben. Die mittleren Sinne, die sogenannten Umgebungssinne, spielen für das 2. Jahrsiebt eine entscheidene Rolle. Zu ihnen gehören die drei klassischen Sinne Geruchssinn, Geschmackssinn und Sehsinn. Ergänzt werden diese durch den Wärmesinn. In der regulären Wissenschaft entspricht der Temperatursinn wohl am ehesten dem, als was Rudolf Steiner den Wärmesinn bezeichnete.

Wie schon benannt, helfen uns die mittleren Sinne dabei, unsere Umgebung wahrzunehmen. In der Wahrnehmung und dem Umgang mit der uns umgebenden Welt, wird auch unser Seelisches angesprochen. Wir nehmen etwas in unserer Umgebung wahr und augenblicklich reagieren wir mit Antipathie oder Sympathie. Zwischen diesen beiden Polen und zwischen Außen und Innen bewegen wir uns. Auch eine soziale Komponente findet dabei natürlich ihren Platz. In Sprichwörtern wird dies deutlich. So sagen wir z.B. "Ich kann dich nicht riechen" zu anderen Menschen oder "Das schmeckt mir nicht" zu unangenehmen sozialen Situationen und "So richtig warm werde ich mit ihr, mit ihm nicht" gegenüber Menschen.

Geruchssinn

Das Organ des Geruchssinns ist die Riechschleimhaut in der Nasenwurzel. Der Geruchssinn vermittelt die Verbundenheit mit einem Duftstoff. Die Geruchsstoffe sind gasförmig und dringen über die Nase in den Körper ein. Der Mensch kann sich daher eigentlich kaum erwehren, etwas zu riechen. Die wahrgenommenen Gerüche können ganz existenziell auf uns wirken - bis hin zum Erbrechen kann es gehen, wenn wir etwas Ekelhaftes riechen. Aber auch ganz tiefe Erinnerungen können durch das Wahrnehmen von Gerüchen wieder auftauchen. Dieses Erlebnis des "sich mit der Welt verbinden" zeichnet den Geruchssinn aus.

Und genau das Empfinden dieser Verbindung ist ganz entscheidend für das 2. Jahrsiebt. Je älter das Kind wird, desto abgetrennter erlebt es sich von der Welt. Besonders die Meilensteine Rubikon und Vorpubertät sind hier Schritte, in die für die Entwicklung notwendige Eigenwerdung des Menschen. Dieses Erleben des Abgetrennten kann Ängste und Unsicherheiten hervorrufen. Durch die Pflege des Geruchssinns natürlich schon im ersten aber entscheidend auch im zweiten Jahrsiebt können die Heranwachsenden über die Verbindung mit der Umgebung bei gleichzeitiger Bewusstwerdung eine Wesensverbundenheit mit der Welt erfahren. Dies kann Sicherheit und ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln.

Der Geruchssinn wird durch differenzierte Geruchserlebnisse gepflegt. Je mannigfaltiger und natürlicher diese sind, desto reicher das Erleben und desto vielfältiger die Möglichkeiten, sich selbst daran zu erleben und den Sinn auszubilden und zu verfeinern. Schlecht belüftete Räume, zu extreme Gerüche aber auch stark künstliche Gerüche üben einen schädigenden Einfluss aus.

Geschmackssinn

Beim Geschmackssinn ist die Zuordnung der mittleren Sinne zum Seelischen besonders deutlich erkennbar: Jeder hat seinen eigenen Geschmack ganz nach Vorlieben und Abneigungen geformt. Neben den klassischen vier Grundgeschmacksqualitäten bitter, salzig, süß und sauer gibt es natürlich noch viele weitere Geschmackserlebnisse. Zudem vermischt sich der Geschmack rasch mit Gerüchen und auch mit dem Tasterlebnis auf der Zunge und im Mundraum.

Durch den Geschmackssinn, dessen Organ die verschiedenen Geschmacksknospen sind, wird das Sympathie-Antipathie-Erleben als wichtige Selbsterfahrung in sehr differenzierter Weise möglich und zunehmend verfeinert: Das Ich schmeckt, wo es sich mit der Welt vereinigen will und sagt daraufhin „ja“ zu dem Angebotenen und es schmeckt, wo es sich abgrenzen will und sagt deshalb „nein“. (Quelle)

Während sich die Heranwachsenden ein differenziertes Geschmacksvermögen erarbeiten, entwickeln sie quasi auch ihren eigenen "Geschmack", sowohl hinsichtlich Ästhetik als auch im Sozialen. Die Förderung eines gesunden Geschmackssinns hilft dabei geschmackvoll mit sich selbst, mit der Umgebung und mit den Mitmenschen umzugehen und verschafft so auch ein Empfinden der Sicherheit in der Eigen- und Außenwirkung.

In diesem Zusammenhang ist der Umgang mit der erlebten Antipathie sehr interessant. Anti- und Sympathie erlebt jeder Mensch ganz unmittelbar. Spannend ist es, wie der Mensch damit umgeht, inwieweit er sich ganz unbewusst von diesen lenken läßt oder sich ihrer gewahr wird und sie bearbeitet und aus einem bewussten Umgang mit ihnen dann zur Tat und/oder zum Wort kommt. Sich mit seinen Antipathien aber auch Sympathien auseinanderzusetzen ist hierbei wichtig. Hinsichtlich des Geschmackssinns wurde lange Zeit gesagt, dass dies bedeutet, Kinder müssen auch mal etwas essen, was ihnen nicht schmeckt. Hier wurde der sogenannte Probierlöffel oder sogar das "Der Teller wird leer gegessen" propagiert. Inzwischen findet da zum Glück ein Umdenken statt!

Wichtig ist es für die Pflege des Geschmackssinns, den Kindern immer wieder vielfältige Geschmäcker zu ermöglichen. Dies aber ganz klar als ein Angebot. Hier können die Erwachsenen natürlich sehr kreativ sein und vor allem gilt auch "Das Auge isst mit!". Hilfreich ist es an dieser Stelle auch solche alten Glaubenssätze wie. "Mit Essen spielt man nicht!" über Bord zu werfen.

Aufgabe für uns Erwachsene ist es, zur Pflege des Geschmackssinnes im 2. Jahrsiebt, den Kindern viel Angebot zu ermöglichen und ihnen Freiraum für die Findung des eigenen Geschmacks zu geben. Auch die eigenen Geschmacksvorlieben der Erwachsenen können wahrgenommen und vielleicht noch einmal überdacht werden. Einseitiges sowie hoch verarbeitetes Essen, wenig Auswahlmöglichkeit und zu geringer Freiraum für die eigene Geschmacksfindung (z.B. auch beim Thema Anziehsachen und Frisur) wirken sich negativ auf den Geschmackssinn aus.

Sehsinn

Der Sehsinn ist der für sehend Geborene am meisten genutzte, am meisten strapazierte Sinn. Dabei schauen wir auf verschiedene Arten, mit unterschiedlicher Intention. Am häufigsten sehen wir, um Informationen aufzunehmen. Unbewusst nehmen wir durch das Sehen Qualitäten wahr, meist nehmen wir uns nur selten Zeit, diese auch bewusst aufzunehmen. Wir können aber auch in unser Inneres schauen oder das Innere der Anderen wahrnehmen. Hier ist die Brücke zum sozialen Aspekt des Sinnes.

Das Auge und der Sehsinn entwickeln sich an dem, was Kinder sehen. Wenn die heranwachsenden Kinder eine Vielfalt an Qualitäten erleben können: Licht, Dunkelheit, zarte und kraftvolle Farben, Weite usw. kann sich der Sehsinn differenziert entwickeln. Der Seh- und der Hörsinn sind "Alarmsinne". Mit diesen nehmen wir als Erstes wahr und prüfen, ob Gefahr droht. Daher hält eine Überreizung dieser Sinne den Menschen in steter Alarmbereitschaft, was sehr gesundheitsschädigend sein kann. Zu früher und zu starker Fernsehkonsum gehört genauso dazu, wie einseitige, zu neutrale und zu "kalte" Eindrücke.

Wärmesinn

Der Wärmesinn wird über die Haut erlebt. Wir nehmen Wärme und Kälte wahr. Dabei ist die Wahrnehmung sehr vielfältig und auf eine Art subjektiv. Halten wir unsere warme Hand in kaltes Wasser, erscheint es uns kälter als es wirklich ist. Kommen wir völlig ausgekühlt in einen normal temperierten Raum, erscheint er uns wohlig warm. Auch die Beschaffenheit des Material ist ausschlaggebend. Metall fühlt sich z.B. bei gleicher Temperatur kälter an als Holz. Die Wärme eines lebendigen Körpers ist eine ganz andere als die einer Heizung. Dies macht deutlich: der Wärmesinn ist eng mit dem Tastsinn verbunden. Schafft der Tastsinn auf körperlicher Ebene eine Art Hohlkörper durch seine Wahrnehmungen, erfüllen und erfühlen die Wahrnehmungen durch den Wärmesinn diesen.

Mit dem Ausdruck "Mir wird warm ums Herz" wird direkt die Verbindung des Wärmeerlebnisses zum Sozialen deutlich. Wir brennen für eine Sache, wir haben eine warme oder kalte Ausstrahlung. Ist uns seelisch unwohl, frieren wir leichter. Sind wir verliebt, wird uns ganz heiß. Auch spannend in diesem Zusammenhang ist das sogenannte kalte, analytische Denken. Der Zusammenhang von Denken und Kälte wird auch deutlich, wenn Menschen, die einer eher analytischeren Arbeit nachgehen, oftmals über kalte Füße klagen.

Daher wirkt pflegend und fördern auf den Wärmesinn eine warme, soziale Gemeinschaft. Michaela Glöckler spricht in diesem Zusammenhang auch über die Gefahr, dass der Wärmesinn zu einem Kältesinn mutiert. (Quelle). Eine zu starke Distanzierung und Intellektualisierung führt zu Distanz und Kritik, schafft eher eine kalte soziale Umgebung. Aber auch eine überfürsorglich und wahllos ausströmende, letztendlich egoistisch fordernde Überschüttung von Zuwendung kann sehr ambivalent wirken. Menschen, die in Gemeinschaft leben und sich warmherzig, ehrlich und unterstützend begegnen, wirken pflegend auf den Wärmesinn. Auf körperlicher Ebene helfen Bäder, Einreibungen und Massagen den Wärmesinn zu pflegen, ebenso wie angemessene Kleidung sowie die Möglichkeit überhaupt Kälte und Wärme erleben zu dürfen. Überheizte oder unterkühlte Räume, zu kalte oder zu warme Kleidung wirken eher negativ auf die Entwicklung des Wärmesinns.

Durch einen gut entwickelten Wärmesinn ist der Mensch in der Lage seelische Wärme zu empfinden und zu geben. Und seelische Wärme ist letztendlich nichts anderes als Liebe. Der Mensch kann sich selbst, andere Menschen, Tiere, Pflanzen und Umgebung lieben und kann für etwas hier auf Erden "in Flammen stehen und brennen".

Meilensteine im 2. Jahrsiebt

Das siebte, das neunte und das zwölfte Lebensjahr gelten als sogenannte Schwellenjahre der kindlichen Entwicklung. Immer tiefer inkarniert sich das Kind in seinen Körper. Neben dem immer stärkeren Auftreten des Temperamentes sind der Schuleintritt, der Rubikon und die Vorpubertät ganz besondere Momente mit Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Jedes Kind begegnet Herausforderungen auf ganz individuelle Art und Weise, mit ganz unterschiedlicher Gewichtung der schwierigen Momente. Durch die Bewältigung von solchen Übergangssituationen können Kinder Kraft und Selbstbewußtsein erringen. Daher ist eine unterstützende und liebevolle Begleitung auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene so wichtig.

Das Erwachen der Temperamente

Wie oben schon erwähnt, werden große Teile der Lebens- oder Ätherkräfte mit Beginn des 2. Jahrsiebts frei und stehen für neue Aufgaben zur Verfügung. Der Ätherleib ist quasi der Träger der Gewohnheiten, Neigungen, des Gewissens, des Gedächtnisses sowie auch der Temperamente. Mit dem Freiwerden der Kräfte nach dem Zahnwechsel treten die jeweiligen Temperamente der Kinder stärker in die Sichtbarkeit.

Die von Rudolf Steiner entwickelte Waldorfpädagogik baut in ihrer Erkenntnis auch auf der Grundlage der Lehre der Temperamente auf.

Es ist die wichtigste Aufgabe des Erziehers und Lehrers, diese vier Grundtypen, die man die Temperamente nennt, wirklich zu kennen. (Rudolf Steiner GA 295)

Das sanguinische Kind zeichnet sich vor allem durch Unbefangenheit und der Fähigkeit zu Hingabe und Aufmerksamkeit aus, das melancholische Kind durch Ernst und ein Empfinden von Andacht und Mitgefühl, das phlegmatische durch eine ruhige Art sowie durch eine gewisse Sachlichkeit und das cholerische Kind zeichnet sich aus durch Initiativkraft und Zielstrebigkeit.

Um jedem Kinde seinem und ihrem Temperament entsprechend begegnen zu können, braucht es Erwachsene, die an ihrem eigenem Temperament arbeiten. Je nach Temperament fordern die Kinder auch verschiedene Kräfte der Pädagog:innen. Das sanguinische Kind sucht Liebesfähigkeit und geduldiges Mittragen, das cholerische fordert Selbstbeherrschung und Standvermögen ein, das melancholische findet sich im Helferwillen und Mitgefühl wieder und das phlegmatische braucht Geistesgegenwart und innere Aufmerksamkeitskraft.

Das macht die Erziehung beweglich und fördert beim Lehrer Eigenschaften, die durch direktes Eingehen, Interaktion und Selbsterkenntnis in dreifacher Weise seine Herzenskräfte aktivieren. (...) Handhaben heißt, das Temperament als Lebenskraft und Zukunftsimpulsator zu erfassen, leiten und einsetzen zu können. (Quelle)

Schuleintritt

Der Schulanfang ist ein großer Schritt für die Kinder und ihre Familien. Dieser Schritt geht oft mit gemischten Gefühlen einher: Stolz, nun bald ein Schulkind zu sein, Vorfreude auf das Lernen und auf all das Neue, was kommt. Zugleich auch Angst vor dem Unbekannten, Traurigkeit aufgrund der Trennung vom Kindergarten und manchmal auch ein unbewußtes Bedauern um die so scheinbar völlig sorglosen Kindheitstage. Hat das Kind bisher freilassend im Spiel durch Nachahmung gelernt, geschieht dies nun unter Anleitung von Lehrer:innen. Rudolf Steiner spricht in diesem Zusammenhang von der geliebten Autorität, der die Kinder gerne nachfolgen.

Laut der Resilienz- und Bindungsforschung ist Liebe zu einer Bezugsperson der stärkste Schutzfaktor: Vertrauen, Liebe, Zuversicht, innere Anbindung an einen Menschen, von dem das Kind weiß, dass er es sieht und nicht im Stich lässt, bei dem es sich seelisch zuhause fühlt und weiß, dass es so sein kann, wie es ist, und dass es auch geborgen ist und akzeptiert wird, selbst, wenn es „den größten Blödsinn“ macht; von dem es auch nicht übermäßig gelobt wird, wenn es sich gut benimmt, der sich aber darüber freut – bei dem es einfach SEIN darf. Das beschreibt das Mysterium der geliebten Autorität. (Quelle)

Gemäß dem Motto des 2. Jahrsiebt "Die Welt ist schön" ist der Lehrplan an der Waldorfschule aufgebaut. Die Schüler:innen sollten immer die Möglichkeit haben, seelisch mit dem Unterrichtsinhalt mitschwingen zu können. Ziel sollte es sein, die Welt in ihrer Schönheit und in ihren Zusammenhängen wahrnehmen zu können. Das Kind braucht Raum zum Entdecken und die Möglichkeit, das Wahrgenommene in einen Zusammenhang stellen zu können.

Rubikon

Der Grenzfluss Rubikon, den Cäsar entgegen einem Befehl mit all seinen Legionen überquerte, römischen Boden betrat, um dann sich militärisch gegen sein Heimatland zu wenden, gibt dieser Entwicklungsschwelle ihren Namen.

Zwischen dem 9. und dem 10. Lebensjahr überschreitet das Kind symbolisch gesehen den Rubikon. Die selbstverständlichen Regeln und das bisher Gewohnte wird mit neuer Distanz wahrgenommen. Fand um das 3. Lebensjahr eine Bewusstwerdung des Getrenntseins eher auf körperlicher Ebene statt, so spüren die Kinder nun, dass sie eigene Empfindungen, ein eigenes Seelenleben haben. Auf der einen Seite erlangen sie dadurch eine Freiheit auf der anderen Seite können Ängste entstehen.

In der Volksschulzeit ist die Sache so, daß zunächst etwa bis zum neunten Jahre hin noch dasjenige mit der Nachahmung nachwirkt, was der präponderierende Wille ist. Dann tritt aber etwas ein für das Kind, wodurch es sich unterscheiden lernt von seiner Umgebung. Jeder, der wirklich Kinder zu beobachten vermag, der weiß, daß zwischen Subjekt und Objekt, sich selber und der Umgebung, das Kind eigentlich erst so zwischen dem neunten und zehnten Jahre richtig unterscheidet. Daraufhin muß man alles einrichten. (GA 297, Rudolf Steiner)

Dies bedeutet, dass nicht das Abstrakte gelernt werden sollte, dass es in diesem Alter nicht in erster Linie um Wissensaufnahme gehen kann, sondern darum, wahrhaftige Eindrücke erfahren zu können, die bis ins tiefe Innere wirken. Sind für das kleine Kind im 1. Jahrsiebt Hülle gebende Erwachsene wichtig, so brauchen Kinder um den Rubikon herum Erwachsene, die an sich arbeiten, die mit Ehrlichkeit und Authentizität den Heranwachsenden begegnen, die für sie toröffend in die Welt hinein wirken. 

Klassischer Weise kommen in dieser Zeit auch Ängste in den Kindern auf. Das Thema Tod und dass Menschen aus der eigenen Familie sterben könnten, wird viel bewegt. Es sollte spätestens jetzt keine Tabuthemen geben, sondern alles, was durch das Kind aufkommt in angemessener Weise thematisiert und damit umgegangen werden. Das Empfinden des Getrenntseins von den Mitmenschen führt bei einigen auch zu der Annahme adoptiert zu sein, "gar nicht wirklich dazu zu gehören". Auch dies kann als Grund genommen werden, um gemeinsam tief in Themen einzutauchen. Je offener, präsenter und wahrhaftiger wir hier als Erwachsenen den Kindern begegnen, desto eher werden sie uns in der Zeit der Pubertät nicht gänzlich ausschließen, sondern sich mit Vertrauen an uns wenden. Die Kinder nicht ernst zu nehmen in ihren Sehnsüchten, Gedanken, Gefühlen, Ängsten baut eine Mauer auf und läßt sie allein. Mit einer guten Begleitung können wir jedoch zu eben jener geliebten Autorität werden, geliebt aufgrund unserer Ehrlichkeit und aufgrund der Nahbarkeit, die die Kinder eigentlich permanent in dieser Zeit suchen.

Der Unterrichtsplan in der Waldorfschule unterstützt die Kinder im 3. Schuljahr. So wird der Abschied aus dem Einssein mit allem in der Schöpfungsgeschichte behandelt und in der Hausbau- und Ackerbauepoche das schöpferische Ergreifen der Umgebung durch den selbst erwachten Menschen. Für die Kinder werden so ganz unbewußt Wege aufgezeigt, wie sie den Moment des Übergangs in ein Wachsen und Werden umwandeln können. 

Vorpubertät

Spätestens mit dem 12. Lebensjahr treten die Heranwachsenden in die Vorpubertät ein. Das in die Welt hineinfliegen sowie die Phantasiefähigkeit nehmen immer stärker ab zugunsten eines Bedürfnissen und auch Könnens, die Welt kausal zu erfassen, Phänomene zu entdecken und zu verstehen. Oftmals ist es noch ein inneres Hin und Her zwischen Kind sein - Wollen und "Ich bin kein Kind mehr", dass mit sehr vielen emotionalen Einbrüchen einhergeht. Auch hier sind wir Erwachsenen in unserer Verständnis- und Liebesfähigkeit aber auch in unserer Klarheit gefordert.

So wie sich im 1. Jahrsiebt der physische Körper entwickelt und hier aller Schwerpunkt liegt, so entwickelt sich im 2. Jahrsiebt das sogenannte rhythmische System des Menschen. Atmung, Herz und Kreislauf entwickelt sich besonders zwischen dem 12. und dem 15./16. Lebensjahr.

Das 2. Jahrsiebt: „Die Welt ist schön“

Das Motto des 2. Jahrsiebts heißt "Die Welt ist schön". Schönheit erlebe ich mit meinem Herzen. Das Herz bzw. der Rhythmus des Herzens entwickelt sich in diesem Jahrsiebt.

Das Rhythmische System ist das mittlere System des dreigliedrigen menschlichen Organismus. Es ist im Brustbereich des menschlichen Organismus zentriert und regelt den Rhythmus der Atmung und des Kreislaufsystem und hat seine physiologische Grundlage im Herz-Lungensystem. Das rhythmische System ist das wesentlichste physische Werkzeug des Gefühlslebens und der im lebendig strömenden Atem tönenden menschlichen Sprache. Jede Stimmungsschwankung, jede Freude, jedes Leid spiegeln sich in einer leise veränderten Atmung und einem sich beschleunigenden oder verzögernden Pulsschlag wider, wie auch jede körperlich bedingte Veränderung in Atmung und Herzrhythmus sogleich auf unser Gefühlsleben zurückschlägt. Allerdings erleben wir diese Gefühle nicht so klar und wach wie das, was wir durch unser Nerven-Sinnessystem erfahren, denn in unserem Gefühlsleben träumen wir eigentlich beständig. (Quelle)

"Die Welt ist schön" als Motto für das 2. Jahrsiebt - was kann das bedeutet? So wie die Welt natürlich nicht immer gut ist, ist sie auch nicht immer schön. Und dennoch in jedem lässt sich das Schöne finden. Besonders geeignet sind alle Werke der Natur und der Kunst, um ein Erleben des Schönen in den Kindern wachzurufen. Aber: Ein abgeholzter Wald ist ein furchtbarer Anblick und es kann bei den Kindern, die in dieser Zeit auf die Erde kommen nicht darum gehen, diese Seiten unseres Daseins auszublenden. Den Kindern in einem großen Buchenwald nahezubringen, wie Wald aussehen kann, die Majestät der Bäume und das Zusammenspiel der Natur, läßt Liebe für die Welt entstehen. Genauso kann auch die Schönheit, die darin liegt, dass Menschen aufstehen und sich engagiert einsetzen für Umweltschutz, vermittelt werden. Aus ihr entsteht Liebe zu den Menschen. Es kann also nicht darum gehen, alles nicht Schöne auszublenden, sondern in allem was ist, die schöne Seite neben den anderen aufzuzeigen. Damit schaffen wir auch keine "heile Welt" sondern schützen die Kinder vor Fatalismus und legen in ihnen den Keim, die Kraft zu finden das Schöne in der Welt, in Mensch, Tier, Pflanze und den Dingen zu erkennen und dafür einzustehen.

Gerade wenn die intellektuellen Kräfte immer stärker wirken, ist es wichtig auch die Herzenskräfte zu stärken. Dies kann vor allem auch dadurch geschehen, dass wir den Kindern warm begegnen, dass wir selbst in uns das Schöne erkennen und gestalten. Dass unser Handeln, unsere Gefühle und auch unsere Gedanken vom Schönen geleitet werden bzw. wir ehrlich mit unserem "Dunkel" umgehen und daran arbeiten, es zu verwandeln kann entscheidend dazu beitragen.

Wickel für die Handgelenke fürs 2. Jahrsiebt im Waldorfshop

In Zusammenarbeit mit den Weckelweiler Werkstätten und Wachswerk hat waldorfkind für diese besonderen Zeiten im Leben der Kinder Wickel für die Handgelenke entwickelt, die dank ätherischer Öle Eure Kinder unterstützen und kräftigen. Dafür wird täglich ein Wachsplättchen, welches mit den für das Alter entsprechenden Ölen getränkt ist, in die Stulpen gelegt. Die Stulpen werden dem Kind über die Handgelenke gezogen. 

Einschulung:  “Kleine Riesen - Ich fühl mich groß und stark!”

Wickel Einschulung | Blog WaldorfshopFür den Übergang von der Kindergarten- zur Schulzeit im 2. Jahrsiebt gibt es “Kleine Riesen”. Das Öl der Riesentanne schenkt den Kindern die Aufrichtekraft des Baumes. Die Düfte von Benzoe Siam und Mandarine vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Diese fein abgestimmte Mischung gibt den Kindern Sicherheit und Mut und stärkt ihr Selbstbewusstsein, wodurch sie die Trennungsmomente besser verkraften können. Und der frische Duft macht einfach gute Laune!

 

Rubikon:  “Fröhlich sein - robust und zart zugleich!”

Wickel Rubikon | Blog WaldorfshopFür den Übergang vom neunten zum zehnten Lebensjahr im 2. Jahrsiebt gibt es “Gut gelaunt”. Die römische Kamille ist ein zartes und zugleich sehr robustes Pflänzchen. Ihr Öl entspannt und beruhigt und hilft so unterstützend bei Unruhe und Rastlosigkeit. Die Düfte von Mandarine und Vanille vermitteln ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Diese fein abgestimmte Mischung kann helfen Ängste zu lösen und die Stimmung aufzuhellen. So finden die Kinder die Sicherheit und den Mut, sich immer weiter in die Welt zu begeben und in ihr Orientierung zu finden. 

 

Eintritt in die Pubertät: “Klare Gedanken - die eigene Linie finden!”

Wickel Vorpubertät | Blog WaldorfshopFür den Eintritt in die Pubertät im 2. Jahrsiebt gibt es “Klare Gedanken”. Das Öl der Grapefruit schenkt den Jugendlichen neben einer Förderung der Konzentration, Lebenslust und Leichtigkeit. Das Öl der Zypresse ist wie ein Stützpfeiler, welcher hilft, innere Strukturen aufzubauen und die eigene Linie zu finden. Das Öl des Rosmarin macht wach und ist daher ideal für Morgenmuffel. Diese fein abgestimmte Mischung hilft den Jugendlichen, extreme Stimmungsschwankungen auszugleichen sowie die Flut der Gedanken zu sortieren. Dadurch kann die Konzentration gefördert und Klarheit und Ordnung ins Leben gebracht werden.

 

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