Pädagogik

Elemente der Waldorfschule

von Nicolaus Forster - 2 Nov, 2022

Elemente der Waldorfschule

Im Beitrag „Die Waldorfschule“ haben wir Ihnen schon einen Einblick in die Besonderheiten und die Geschichte der Freien Waldorfschulen gegeben. In diesem Beitrag wollen wir nun etwas tiefer in einzelne Elemente der Waldorfschule eintauchen.

Der Epochenunterricht

Während der ersten beiden Stunden eines Schultages arbeiten die Schüler:innen in drei bis vier Wochen intensiv an einem Thema. Dies ist der sogenannte Epochen- bzw. Hauptunterricht. Aus der anthroposophischen Menschenkunde heraus wurden Ablauf und Inhalt der Epochen durch die gesamten zwölf Waldorfschuljahre bestimmt.

Die Fächer die während des Hauptunterrichtes in Epochen behandelt werden, sind z.B. Deutsch, Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie, Biologie, Physik, Chemie, Sozialkunde, Mathematik, Astronomie, Architektur, Poetik, Geometrie und Formenzeichnen.

In den ersten 6 bis 8 Schuljahren erteilt überwiegend d* Klassenlehrer:in den Hauptunterricht, in der Oberstufe wird er von Fachlehrer:innen übernommen. Im Anschluss an den Hauptunterricht haben die Schüler:innen dann bei Fachlehrer:innen Unterricht in Fremdsprachen, Musik, Sport, Eurythmie, Religion und den handwerklich-künstlerischen Fächern.

Gliederung des Hauptunterrichtes

Der Hauptunterricht gliedert sich in drei Teile:

  • rhythmischer Teil
  • Arbeitsteil
  • Erzählteil

Während der rhythmische Teil den Körper anspricht, wird im Arbeitsteil das Kognitive und im Erzählteil das Seelische der Schüler:innen angesprochen.

Rhythmischer Teil

Es ist ein Grundstein der Waldorfpädagogik, am inneren Rhythmus des Kindes zu arbeiten. »Im Klassenzimmer soll Rhythmus herrschen«, diese Aufforderung an die ersten Lehrer der neugegründeten Waldorfschule war ein Aufruf zur Arbeit an der Gesundheit der Kinder. Erziehung als Krankheits-Prophylaxe entsteht durch das Aufrichten eines Rhythmus-Gerüstes, an dem sich die zentralen Rhythmen im Kind orientieren, wir könnten auch sagen »synchronisieren« können.

Marcus Roggatz (in der Erziehungskunst)

Der Unterricht beginnt nach der Begrüßung mit dem Morgenspruch. Es gibt einen Spruch für die 1. bis 4. Klasse und einen Spruch ab der 5. Klasse. Im Anschluss sprechen jeweils einige Kinder bis zur 8. Klasse ihren Zeugnisspruch. Diesen Spruch haben sie mit ihrem Zeugnis erhalten und er soll ihnen Anregung und eine Art Leitspruch für das Jahr sein. Im darauf folgenden rhythmischen Teil werden entsprechend der Jahreszeit und des Alters der Schüler:innen Sprüche, Lieder, Gedichte usw. gesungen oder rezitiert. Im idealen Fall wird hierbei durch Bewegungen der ganze Körper eingebunden. Durch das gemeinsame Rhythmisieren wird jedes einzelne Kind „wach“ und die Klasse als Ganzes kommt in einen Rhythmus. Dies ist die Grundlage, auf der nun an den Themen gearbeitet werden kann.

Arbeitsteil

Im Arbeitsteil findet das statt, was allgemein unter Unterricht verstanden wird. Zuerst wird der Stoff des gestrigen Tages wiederholt und darauf aufbauend das Thema weiter bearbeitet. Kurz gesagt: betrachten, erinnern, vertiefen! Die Schüler:innen gestalten in dieser Zeit auch ihr Epochenheft. In der Waldorfschule werden keine Lehrbücher benutzt, die Schüler:innen gestalten sich diese selber. Auf der Seite Waldorf-Ideen Pool findet ihr Einblick in ein  Geschichtsepochenheft der 6. Klasse.

Erzählteil

Der Erzählteil gibt den Schüler:innen die Möglichkeit, nach getaner Arbeit zu entspannen und auszuatmen. Zugleich können sich die Kinder auf der Gefühlsebene mit den Themen aus dem Unterricht verbinden. Für die Klassenlehrer:innen ist das freie Erzählen oft ein Herausforderung, richtig erzählt helfen sie aber den Schüler:innen ganz in eine Geschichte eintauchen zu können. Die Erzählungen werden je nach Alter und Lehrplan gewählt und können sein:

  • Märchen, Fabeln und Legenden
  • Alte Testament
  • Nordische Mythologie
  • Geschichten zu den Themen der Epochen
  • Erzählungen zu den Jahresfesten wie Ostern, Johanni, Michaeli, Sankt Martin, Nikolaus oder Weihnachten
  • Biografien

Eurythmie

Als Bewegungskunst von Rudolf Steiner entwickelt, soll die Eurythmie dem Menschen dabei helfen, die eigenständige Orientierung und Bewegung im Raum zu erlangen. Sie soll den Menschen als individuelles geistiges Wesen über die Erfahrung seiner eigenen Leiblichkeit in Denken, Fühlen und Wollen zur Entfaltung seiner individuellen Bewegungsgestalt im Raum führen und in der Seele der Menschen die Kraft schaffen, Erfahrungen in die Gestaltung der eigenen Persönlichkeit zu führen.

Waldorfshop

In der Freien Waldorfschule wird in allen zwölf Klassen das ganze Schuljahr über Eurythmie unterrichtet. Während in der Unterstufe die Eurythmie noch stark von Vorbild und Nachahmung lebt und die Schüler:innen ihre ersten aufgeregten Auftritte in Eurythmiekittel und -schuhen bei den Monatsfeiern vor ihren Eltern haben, verändert sich die Art des Unterrichts und der Aufgaben mit dem Alter der Kinder. Immer vielfältiger lernen sich die Schüler:innen, zu Musik und Sprache auszudrücken. Und während die jungen Kinder noch ganz eintauchen in die Bewegungen, ist es für die Pubertierenden in den oberen Klassen oft eine Herausforderung, aber auch eine Chance, ihren Körper zu ergreifen und ihrem Innern Ausdruck zu verleihen. Sitzt man als Eltern oder Lehrer:innen in einer Monatsfeier und schaut den jugendlichen Mädchen und Jungen, die sonst doch meist maulfaul vor ihren Handys hocken, bei ihren nun, bei aller Schlaksigkeit doch auch künstlerischen, anmutigen Bewegungen zu, kann einem schon das Herz aufgehen.